JERZY RUCKI (2 Teil)
31.03.1919-26.09.2001
Armeekommando mit einem "Befehl über die Beziehungen der
Zivilbevölkerung zu den Internierten" begegnen
....
Jene
innere und äussere Haltung, die wir Schweizer bei "unseren"
polnischen Internierten feststellen konnten, und - ich sage es offen -
auch insgeheim bewunderten, war massgebend für die Änderung, die jetzt
im europäischen Osten die Strukturen der Tyrannis hinwegfegt ....(Ich
sehe vor meinen Augen - JMK ) ...
die Soldaten der 2. Polnischen Schützendivision wieder vor mir, denen
unser Land vor 50 Jahren in schlimmer Zeit Gastrecht gewährt hat. Und
dann kommt bei mir und vermutlich bei vielen anderen auch ein Gefühl des
Respekts für ihre unbeirrbar tapfere Haltung auf, aber auch der
Dankbarkeit dafür, dass es solche Männer gegeben hat ..". Die
während des 2. Weltkrieges in der Schweiz internierten polnischen
Soldaten erwarben sich sehr bald bei der schweizerischen Armeeführung
und ebenso bei der Bevölkerung einen guten Ruf. Sie zeichneten sich durch
ihren Arbeitsfleiss, ihre Ordnungsliebe und Höflichkeit und durch ihre
galante Art, insbesondere den Damen gegenüber aus. Dies haben mir
einige ältere Schweizerinnen bestätigt, welche die Polen gut kannten. Zu
ihnen gehörte die von der Armeeführung zur Betreuung der Internierten
berufene "Soldatenmutter" Ella Hess aus Rapperswil. Sie erzählte
mir vom Entsetzen der schweizerischen Betreuerinnen als sie eines Tages
erfuhren, dass das französische Internierten-Kontingent des Lagers Pfäffikon
ZH gegen ein polnisches ausgetauscht werde. "Wir meinten", sagte
Ella Hess wörtlich "nun seien wir vom Regen in die Traufe geraten".
Die Damen wollten einfach davon laufen vor lauter Schrecken. Wie gross
war ihr Erstaunen, als dann die Polen in grösster Disziplin und schöne
Lieder singend einzogen und das Lager in wenigen Tagen wieder in Ordnung
brachten mit sauber gestreuten Kieswegen und Blumenrabatten. Sie erwiesen
sich als äusserst liebenswürdig, höflich und hilfsbereit. Auch der in
Polen bei Damen obligate Handkuss machte Eindruck. Kurz und gut, die
Betreuerinnen waren sehr bald von "ihren Polen" begeistert und
blieben es ihr Leben lang. Auch die Religiosität der polnischen Soldaten
machte einen guten Eindruck; ihr allmorgendlicher gemeinsamer Gesang
auf dem Appellplatz lobte weit hörbar den Herrn aller Zeiten.
Eindrucksvoll waren auch die gemeinsamen abendlichen Andachten im
Marienmonat Mai mit den weit hallenden innigen Marien-Liedern der Polen. Jerzy
Rucki erinnerte sich später immer wieder in Dankbarkeit an die Menschen,
die ihm während der Interniertenzeit zur Seite gestanden waren und ihn
gefördert hatten,
darunter
besonders Professor Georg Thürer von der Hochschule St. Gallen, mit dem
er bis zu dessen Tod in Verbindung geblieben war. Auch an andere erinnerte
er sich mit Dankbarkeit, so an den Präsidenten der Bürgergemeinde
Sirnach, Alfons von Streng; den "guten Geist von Gossau"
Ingenieur Leo Braegger; die Soldatenmutter Maria Hohl von Herisau und an
den Leiter der St. Galler Sektion der "Pro Polonia"-Stiftung,
Hugo Helmensdorfer. In
seinen Erinnerung über die Kriegszeit schreibt Jurek u.a.: "Obwohl
in St. Gallen, nach Schätzungen, fast jeder achte Einwohner einen Pass
mit dem Hakenkreuz besass, kapitulierten weder die Hochschulbehörden noch
der Stadtrat vor dem nördlichen Schreckgespenst und setzten sich klar für
uns Polenstudenten ein, wohlverstanden noch vor der Wende im
Kriegsgeschehen zugunsten der Alliierten .... Unser Verhältnis zu den
Professoren war gut bis zum sehr
freundschaftlichen Austausch in den privaten Studios". Seine
Erinnerungen seit 1937, insbesondere die Flucht aus Polen nach Frankreich
und die Zeit in der 1. Grenadierdivision beschrieb Jerzy Rucki viele Jahre
später in dem spannenden und dramatischen Buch "ohne Pass und Visa"
(erschien 1990 im St. Jacek-Vlg. in Katowice. - Originaltitel: "Bez
paszportu i wizy", das zweite Buch erschien 1993 im Bellona-Verlag
Warschau. - Originaltitel: "W krainie Wilhelma Tella".). Sein
zweites Buch schildert die Internierungszeit in der Schweiz zwischen Juli
1940 und Kriegsende 1945 in "Die Schweiz im Licht, die Schweiz im
Schatten" (Erschienen 1997 im Verlag Brunner Kriens. -
Alle Bücher sind u.a. im Polenmuseum Rapperswil erhältlich).
Beide Bücher sind erst in polnischer Sprache erschienen, letzteres
dann auch auf deutsch.
Nach Kriegsende liess sich Jerzy Rucki in St. Gallen nieder und fand bald eine Beschäftigung in der Textilbranche. Dank seiner Sprachkenntnisse - er verständigte sich fliessend in sechs Sprachen - vertrat er die Interessen verschiedener Firmen im Ausland, unter anderem im Mittleren Osten und in Südafrika.
1951
heiratete er Marta Schmid aus St. Gallen, mit der er im August 2001,
bereits von seiner schweren Krankheit gezeichnet, den 50. Hochzeitstag
feiern konnte. In den folgenden Jahren wurden die Kinder Stefan und
Isabelle geboren. Mit ihrer Geduld und Toleranz hat ihm seine Gattin ein
privates Umfeld geschaffen, welches ihm bis ins hohe Alter erlaubte,
seiner Arbeit, seiner Schriftstellerei und seinen Nachforschungen
unbehindert nachzugehen.
1953 wurde er Schweizer Bürger. Wenige Jahre nach seiner Einbürgerung ging er mit seiner
Familie aus beruflichen Gründen nach Italien; nach zwei Jahren kehrten
sie in die Schweiz zurück und siedelten sich in Luzern an. Bei der Firma
Schindler in Ebikon konnte er seine kaufmännischen Erfahrungen in der
Marketing-Abteilung anwenden. Diese Stelle ermöglichte ihm auch Geschäfts-beziehungen
mit Osteuropa und besonders mit Polen.
Sein
Entschluss, nach dem Krieg in der Schweiz zu bleiben, hat seine Liebe zu
Polen nicht geschmälert, im Gegenteil: Seit seiner Niederlassung in der
Schweiz, speziell aber nach seiner Pensionierung, war es ihm ein zentrales
Anliegen, die Spuren der polnischen Internierten in der Schweiz zu
dokumentieren und zu sichern. Die sichtbaren Andenken polnischer
Anwesenheit an vielen Wegen sollten auch in Zukunft an die Tage des
Krieges erinnern.
Seit
vielen Jahren arbeitete daher Dr. Rucki ehrenamtlich an einer
Dokumentation des Polenmuseums über die in der Schweiz verstreuten weit
über 100 Polenandenken. Er dokumentierte - oft mit Hilfe von
Einheimischen, die sich noch an die Internierten erin- nerten - die
sogenannten Polenwege und Polendenkmäler in der Schweiz.
Im
Jahr 2000
erschien diese Dokumentation in Gestalt eines informativen und praktischen
Wanderführers von Dr. Jerzy Rucki mit 28 Wanderrouten auf nahezu 40
Landkarten, ergänzt durch ergötzliche kleine Geschichten aus eigenem Hören
und Erleben des Auors unter dem Titel:
" Quer durch die Schweiz; mit Jerzy Rucki auf den Spuren
internierter polnischer Soldaten".
An
die 30 in Bronze gegossene und auf Felssteinen oder Säulen angebrachte Gedenktafeln
an Wegen, die damals von Polen gebaut wurden, erinnern heute an die Arbeit
der polnischen Internierten. Diese Bronzetafeln wurden dank den Bemühungen
Jerzy Ruckis und des Arbeitskreises (Der Arbeitskreis wirkt im Verein der
Freunde des Polenmuseums Rapperswil, von dem er auch materiell unterstützt wird) zur Pflege polnischer Andenken in der
Schweiz vom Rat zur Bewahrung des Gedenkens (Rat zur Bewahrung des
Gedenkens an das Martyrium des polnischen Volkes, Warschau ) gestiftet und
ausnahmslos mit tatkräftiger Unterstützung der örtlichen Behörden und
unter lebhafter Teilnahme der Bevölkerung feierlich aufgestellt.
und an die eigene Identität wachzuhalten. Mit Beharrlichkeit und Ausdauer
wollte er die Traditionen und Bräuche, die er als Kind noch selber erlebt
hatte, vor dem Vergessen bewahren. Schon vor Jahren
fasste er den Entschluss, in seinem Dorf Jaworzynka ein
Heimatmuseum zu errichten als Beginn eines grösseren Freilichtmuseums
nach dem Vorbild des Ballenbergs im Berner Oberland. Dank eigenen Ersparnissen,
grosszügigen Spenden von Freunden und der tatkräftigen Mithilfe seiner
polnischen Verwandten konnte das Projekt vor einigen Jahren verwirklicht
werden. Mit der Eröffnung des Museums, das sich in unmittelbarer Nähe
des Hauses befindet, in welchem er geboren wurde, erfüllte sich sein
grosser und lange gehegter Traum.
Das Projekt "Heimatmuseum Jaworzynka" wurde von Jurek Rucki in zweierlei Weise ergänzt: Er verfasste während Jahren eindrücklich schöne Gedichte im heimatlichen Dialekt die in drei Gedichtsbänden ("Rymy znad Czadeczki" (1985); "Cztery pory roku" (1990) und "By uchronic od zapomnienia" (1999)) erschienen sind und er brachte eine Städtepart.nerschaft zwischen seiner neuen Heimat Luzern und seinem heimatlichen Bezirkshauptort Cieszyn (Teschen) zuwege. - Nachfolgend ein Ausschnitt aus einem seiner Gedichte:
Ein wichtiges Ereignis war für Jurek die Geburt seines Enkels Jan, welcher kurz vor seinem 81. Geburtstag zur Welt kam. Jurek liebte seinen Enkel über alles. Mit
Jurek Rucki verlieren wir einen liebenswerten Menschen, der zeit seines
Lebens von einem grossen Wissens-
und Tatendrang erfüllt war. Weit gereist und weltoffen, war er
gleichzeitig ein sehr naturverbundener Mensch. Jeden Herbst geriet er ins
"Pilzfieber" und kehrte fast immer mit reicher Beute nach Hause
zurück. Ebenso genoss er die fröhlichen Picknicks mit der Familie und
mit seinen Freunden an einem rauschenden Bach oder auf einer Alpwiese.
Janusz Morkowski
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