Abschied Jerzy Czarnecki

 
Liebe Rena, liebe Joanna, lieber Walter, liebe Trauergäste
 
Wir sind heute versammelt, um Abschied zu nehmen von unserem lieben Jerzy Czarnecki, geboren als Izaak Steger am 20. November 1924 in der Nähe von Lemberg. Es fällt auf, dass Jerzy Czarnecki verschiedene Namen getragen hat; er hiess auch vor­übergehend Fjodor Solenko. Diese Namensänderungen gehörten zu seinem Überle­benskampf zur Zeit des Holocausts.
In fast aussichtslosen Situationen ist es ihm immer wieder gelungen sich zu befreien und dies dank seiner enormen Anpassungsfähigkeit, seiner Wendigkeit und seinen guten Sprachkenntnissen. Wagnis war eine seiner Stärken. Er hat den Befreiungsschritt immer wieder gewagt.
 
Dr. Jerzy Czarnecki war eine starke, eigenwillige Persönlichkeit. Er war optimistisch, neugierig, unkonventionell, ehrlich, innovativ, intuitiv, grosszügig aber auch ungeduldig, impulsiv und sehr emotional. Er hat manchmal undiplomatisch die Dinge beim Namen genannt. Ich erinnere mich an ein offizielles Treffen mit einer russischen Delegation. Da hat er gemerkt, dass der russische Dolmetscher seine Übersetzungen stark verschönert. So hat ihm Jerzy - mitten in der Konferenz - laut gesagt, er soll aufhören die Übersetzungen zu manipulieren.

Jerzy Czarnecki hat auch den Mut gehabt, Dinge zu hinterfragen, die sonst aus Gründen der akzeptierten Routine und der Bequemlichkeit niemand mehr hinterfragt. Das ist eine tolle Qualität, aber sie irritiert viele Fachleute, die in ihrer Routine nicht gerne mit unkonventionellen Ideen gestört werden wollen. Aber Jerzy hat nicht los gelassen. Er hat hartköpfig weiter gebohrt – manchmal wochenlang, monatelang – bis zum Beispiel eine bessere Methode zur Interpretation von Messresultaten geboren wurde.

Jerzy Czarnecki konnte man nicht austricksen. Er hat immer wieder die Fallen im Voraus gespürt und sie gemieden. Er war sehr clever und gewieft. Das hat uns in der Frühzeit der Aufsicht über die Kernkraftwerke viel geholfen.
In der Fachwelt des Strahlenschutzes und vor allem der Messung der Radioaktivität – insb. im deutsch-schweizerischen Fachverband für Strahlenschutz – war Jerzy Czarnecki gut bekannt, respektiert und geliebt. 

Noch eine tolle Qualität von Jerzy Czarnecki möchte ich erwähnen. Die Grosszügigkeit. Er hat grosszügig geschenkt sowohl materielle Sachen wie auch seine Zeit und seinen Einsatz. Aber es musste mit einem wichtigen Zweck oder Projekt in Zusammenhang stehen. Er fand das Leben zu kurz, um sich um Kleinigkeiten zu kümmern. Was er als Lappalie bewertet hat, hat er mit einer unmissverständlichen Handbewegung ad acta gelegt. So!
Dr. Jerzy Czarnecki wurde mit 65 pensioniert. Er blieb nach der Pensionierung noch viele Jahre in seinem Fachgebiet als Berater aktiv. Und dann kam die grosse Wende: er beschloss (mit etwa 75), seine Memoiren – als Überlebender des Holocaust – zu schreiben. Sein Buch erschien auf Deutsch im 2002. Es trägt den Titel: „Mein Leben als Arier“. Eine jüdische Familiengeschichte in Polen zur Zeit der Schoah und als Zwangsarbeiter in Deutschland. Dieses Buch führte zu neuen Kontakten in Israel und in der Westukraine.

Nach langem Zögern entschloss sich Jerzy zu einem Besuch in seiner ursprünglichsten Heimat. Er war 80 Jahre alt. Ein Kameramann und ein Realisator von Dokumentarfilmen begleiteten ihn, um diese sehr emotionale Wiederbegegnung mit der Heimat nach 63 Jahren Abwesenheit zu filmen. 

Dieser gelungene Dokumentarfilm trägt den Titel „Aus Galizien in den Aargau“ und wurde erstmals im Kino Odeon in Brugg am 11. März dieses Jahres aufgeführt. Dieser Tag war eine würdige Krönung des bewegten Lebens von Jerzy Czarnecki und er konnte diesen grossartigen Moment noch voll miterleben, aber leider war seine Gesundheit schon angeschlagen.
In den letzen Jahren ist Jerzy mehrmals in die West-Ukraine gereist, um der jungen Generation die massenweise Ermordung der Juden in 1943 zu erzählen, damit diese dunkle Periode der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. Er hat die zerfallene und verwahrloste Ruine der Synagoge seines Geburtsstädtchens zu einem historischen Monument aufwerten lassen und für die im März 1943 ca.1500 ermordeten Juden ein würdiges Denkmal aufstellen lassen. Er hat noch weitere Projekte dieser Art bereits eingeleitet und gab aus seinem Sterbebett im Spital noch Anleitungen zu ihrer Realisation. Ich bewundere die Energie und die Zielstrebigkeit, die Jerzy Czarnecki für seine späte Berufung noch entwickeln konnte.

 Auch besonders bewundernswert ist der ergebene und liebevolle Dauereinsatz von Jerzy’s Frau Rena. Rena stand in allen Situationen zu seiner Seite, immer liebevoll und gut gelaunt. Die Frau von einer so ausgeprägten Persönlichkeit wie Jerzy zu sein, ist an sich schon besonders bravourös aber sicher nicht langweilig.

In den letzten Monaten hat Jerzy einen sehr tapferen Kampf gegen den Krebs geführt und hat – wie früher – den Befreiungsschritt gesucht und noch gesucht. Am Schluss kam doch eine Befreiung, nicht aber wie er sie gewünscht hatte. Jetzt hat Dr. Jerzy Czarnecki seine letzte Reise unternommen. Wir werden ihn in herzlicher und lebhafter Erinnerung behalten und wünschen ihm eine sanfte Ankunft im Jenseits.
 
Windisch, 7. Dezember 2007                                                                                      Serge Prêtre

 

Die Trauerfeier fand am Freitag den 7. Dezember um 11 Uhr in der Ref. Kirche Windisch statt. Anschliessend Urnenbeisetzung auf dem Friedhof Windisch. Statt Blumen wurde gebeten um allfällige Spenden auf das

 <<Projekt Mosty Wielkie >> bei der Neuen Aargauer Bank Aarau zugunsten von
CH44 0588 1086 1256 6000 I , PC-Konto- Nr. . 50- 1083-6.

 



 

Unser lieber Freund

Dr. Jerzy Czarnecki

hat uns am 2. Dezember 2007 für immer verlassen.

Wir werden Dein hingebungsvolles Leben als Muster für Freundschaft, Gerechtigkeit und Versöhnung dankbar in Erinnerung behalten.

 

Trauernder polnischer Freundeskreis aus der Umgebung Baden